Marike Schuurman
Über alle Berge
Eröffnung 4. Mai 18 - 21 Uhr
Ausstellung 5. Mai - 6. Juli 2019
Über das Verschwinden
Über alle Berge präsentiert Werke aus zwei Serien der niederländischen Fotokünstlerin
Marike Schuurman: Expired (2009-11) und Alptraum (2018).
Die Serie Expired, von der in der Ausstellung drei Exemplare zu sehen sind, zeigt übergroße Polaroidfotos mit dem charakteristischen weißen Rand. Allerdings manifestieren sich auf den quadratischen, eigentlich den fotografischen Schnappschüssen vorbehaltenen Flächen, abstrakte Farbverläufe von malerischer Qualität. So steht der Betrachter vor den großen Formaten, die, mit glänzendem Liquid Gloss überzogen, als Zwitterwesen zwischen Objekt, Malerei und Fotografie faszinieren. Aufgenommen hat Schuurman die Fotos 2009, als sie mit einem Residency Programm drei Monate in Sao Paolo verbrachte. In der Stadt mit 18 Mio. Einwohnern gilt seit 2007 ein Werbeverbot für den öffentlichen Raum, der in der Folge durch Leerstellen auf ehemaligen Werbeflächen und Plakatwänden sowie Gerüste abgestellter Leuchtschriften geprägt ist. Zu fotografieren, was nicht mehr zu sehen ist, war das künstlerische Projekt für Schuurmans Aufenthalt in dem Wirtschafts- und Finanzzentrum Brasiliens. Neben herkömmlichen Fotos machte sie Aufnahmen der Stadtlandschaft mit einer Polaroid SX 70 Kamera, für die sie abgelaufene Filme verwendete, da diese schon damals nicht mehr hergestellt wurden. Das verblüffende Ergebnis auf den Sofortbildern waren Farbschlieren in Gelb, Grün, Blau, Braun, Orange. Das Verschwinden der Motive, die sie hatte ablichten wollen, erkannte die Künstlerin als sinnfälliges Äquivalent dessen, was nicht mehr da war.
In den vergangen Jahren hat die Künstlerin weiter mit Sofortbildkameras gearbeitet nachdem sie ein eigenes komplexes Verfahren entwickelte, mit Bleiche aus den Polaroidfotos Negative heraus zu lösen. Folge dieses Prozesses sind Fotos mit einem ganz eigenen Erscheinungsbild: ausgeblichene Farben, schwarze Fehlstellen und eine geradezu weiche, samtige Oberfläche. Auf den ersten Blick wirken diese Bilder wie vergilbte Fotos aus den 70er Jahren oder sogar wie Zeichnungen. Die Serie Alptraum aus dem vergangenen Jahr zeigt Fotos verschiedener Gletscher in den Alpen. Aufgrund der Erderwärmung sind sie bereits weitgehend zurückgegangen und seit Jahren bemüht man sich, sie mit Folienstoffen vor der Sonneneinstrahlung und damit weiterem Rückschmelzen zu schützen. Schuurmans Fotos zeigen die - angesichts der ursprünglichen Größe der Gletscher - absurd kleinen Stoffbahnen in der weitläufigen Berglandschaft. Die besondere Ästhetik der Fotos ruft das nostalgische Bild eines vergangenen Bergidylls wach, dessen genaues Gegenteil das eigentliche Motiv der Fotos ist: die Zerstörung der Natur durch die vom Menschen verursachte Erderwärmung und die Ausbeutung der Natur für den Skitourismus.
Elke Giffeler
Marike Schuurman ist eine Künstlerin und Fotografin, geboren in Groningen, Niederlande. Sie studierte Fotografie an der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam, wo sie 1998 ihren BFA erwarb, unmittelbar gefolgt von einem zweijährigen Aufenthalt an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten in Amsterdam.
Ihre Arbeiten sind unter anderem im Stedelijk Museum Amsterdam, FOAM, Amsterdam, Haus der Kulturen der Welt, Berlin, Helmhaus Zürich, Schweiz und KINDL, Zentrum für zeitgenössische Kunst, Berlin, ausgestellt. Ihre Arbeit ist Teil von Sammlungen wie der Sammlung Hoffmann in Berlin, dem FOAM Fotografie Museum Amsterdam, dem Niederländischen Außenministerium und KPN, Den Haag, Niederlande. Seit 2003 lebt und arbeitet sie in Berlin.
On Disappearing
Über alle Berge presents works from two series by the Dutch photo artist Marike Schuurman: Expired (2009–11) and Alptraum (2018).
The series Expired, from which three works are on view in the exhibition, features oversized Polaroid photos with their typical white border. However, the square sections where photo- graphic snapshots normally appear show abstract color gradients with a painterly effect. Thus, the viewer is confronted with large-scale works that, coated with shiny liquid gloss, have a fascinating effect as hybrids between objects, paintings, and photography. Schuurman took the photos in 2009 during a three-month stay in São Paolo as part of a residency program. The city has 18 million inhabitants, and since 2007 advertising has been prohibited in public places there. The result is empty spaces where previously posters and billboards were as well as scaffoldings for neon signs that are no longer in use.
The artistic project for Schuurman’s stay in Brazil’s business and financial center was to photograph what is no longer visible. In addition to conventional photos, she took pictures
of the urban landscape with a Polaroid SX 70 camera using expired film, since even then it was no longer in production. The astonishing result of these instant photographs was color streaks in yellow, green, blue, brown, and orange. The artist recognized the disappearance of the subjects that she sought to photograph as a symbolic equivalent of what was no longer there.
In recent years the artist has continued to work with instant cameras after developing her own complex process of using bleach to create negatives out of Polaroid photos. The result of this process is photographs with a very unique appearance: bleached colors, black areas, and an almost soft, velvety surface. At first glance these pictures look like yellowed photos from the 1970s or even drawings.
The series Alptraum from 2018 features photographs of various glaciers in the Alps. Due to global warming, they have already receded significantly, and for many years efforts have
been made to protect them from the sunlight and thus from further melting with reflective foil.
In light of the original size of the glaciers, Schuurman’s photos show absurdly small lengths
of foil in the expansive mountain landscape. The particular aesthetic of the photos evokes the nostalgic image of a past mountain idyll, the exact opposite of which is the actual subject of the photos: the destruction of nature by man-made global warming and the exploitation of nature for ski tourism.
Elke Giffeler
Translation Anthony DePasquale
Marike Schuurman
Über alle Berge
Eröffnung 4. Mai 18 - 21 Uhr
Ausstellung 5. Mai - 6. Juli 2019
Über das Verschwinden
Über alle Berge präsentiert Werke aus zwei Serien der niederländischen Fotokünstlerin
Marike Schuurman: Expired (2009-11) und Alptraum (2018).
Die Serie Expired, von der in der Ausstellung drei Exemplare zu sehen sind, zeigt übergroße Polaroidfotos mit dem charakteristischen weißen Rand. Allerdings manifestieren sich auf den quadratischen, eigentlich den fotografischen Schnappschüssen vorbehaltenen Flächen, abstrakte Farbverläufe von malerischer Qualität. So steht der Betrachter vor den großen Formaten, die, mit glänzendem Liquid Gloss überzogen, als Zwitterwesen zwischen Objekt, Malerei und Fotografie faszinieren. Aufgenommen hat Schuurman die Fotos 2009, als sie mit einem Residency Programm drei Monate in Sao Paolo verbrachte. In der Stadt mit 18 Mio. Einwohnern gilt seit 2007 ein Werbeverbot für den öffentlichen Raum, der in der Folge durch Leerstellen auf ehemaligen Werbeflächen und Plakatwänden sowie Gerüste abgestellter Leuchtschriften geprägt ist. Zu fotografieren, was nicht mehr zu sehen ist, war das künstlerische Projekt für Schuurmans Aufenthalt in dem Wirtschafts- und Finanzzentrum Brasiliens. Neben herkömmlichen Fotos machte sie Aufnahmen der Stadtlandschaft mit einer Polaroid SX 70 Kamera, für die sie abgelaufene Filme verwendete, da diese schon damals nicht mehr hergestellt wurden. Das verblüffende Ergebnis auf den Sofortbildern waren Farbschlieren in Gelb, Grün, Blau, Braun, Orange. Das Verschwinden der Motive, die sie hatte ablichten wollen, erkannte die Künstlerin als sinnfälliges Äquivalent dessen, was nicht mehr da war.
In den vergangen Jahren hat die Künstlerin weiter mit Sofortbildkameras gearbeitet nachdem sie ein eigenes komplexes Verfahren entwickelte, mit Bleiche aus den Polaroidfotos Negative heraus zu lösen. Folge dieses Prozesses sind Fotos mit einem ganz eigenen Erscheinungsbild: ausgeblichene Farben, schwarze Fehlstellen und eine geradezu weiche, samtige Oberfläche. Auf den ersten Blick wirken diese Bilder wie vergilbte Fotos aus den 70er Jahren oder sogar wie Zeichnungen. Die Serie Alptraum aus dem vergangenen Jahr zeigt Fotos verschiedener Gletscher in den Alpen. Aufgrund der Erderwärmung sind sie bereits weitgehend zurückgegangen und seit Jahren bemüht man sich, sie mit Folienstoffen vor der Sonneneinstrahlung und damit weiterem Rückschmelzen zu schützen. Schuurmans Fotos zeigen die - angesichts der ursprünglichen Größe der Gletscher - absurd kleinen Stoffbahnen in der weitläufigen Berglandschaft. Die besondere Ästhetik der Fotos ruft das nostalgische Bild eines vergangenen Bergidylls wach, dessen genaues Gegenteil das eigentliche Motiv der Fotos ist: die Zerstörung der Natur durch die vom Menschen verursachte Erderwärmung und die Ausbeutung der Natur für den Skitourismus.
Elke Giffeler
Marike Schuurman ist eine Künstlerin und Fotografin, geboren in Groningen, Niederlande. Sie studierte Fotografie an der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam, wo sie 1998 ihren BFA erwarb, unmittelbar gefolgt von einem zweijährigen Aufenthalt an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten in Amsterdam.
Ihre Arbeiten sind unter anderem im Stedelijk Museum Amsterdam, FOAM, Amsterdam, Haus der Kulturen der Welt, Berlin, Helmhaus Zürich, Schweiz und KINDL, Zentrum für zeitgenössische Kunst, Berlin, ausgestellt. Ihre Arbeit ist Teil von Sammlungen wie der Sammlung Hoffmann in Berlin, dem FOAM Fotografie Museum Amsterdam, dem Niederländischen Außenministerium und KPN, Den Haag, Niederlande. Seit 2003 lebt und arbeitet sie in Berlin.
On Disappearing
Über alle Berge presents works from two series by the Dutch photo artist Marike Schuurman: Expired (2009–11) and Alptraum (2018).
The series Expired, from which three works are on view in the exhibition, features oversized Polaroid photos with their typical white border. However, the square sections where photo- graphic snapshots normally appear show abstract color gradients with a painterly effect. Thus, the viewer is confronted with large-scale works that, coated with shiny liquid gloss, have a fascinating effect as hybrids between objects, paintings, and photography. Schuurman took the photos in 2009 during a three-month stay in São Paolo as part of a residency program. The city has 18 million inhabitants, and since 2007 advertising has been prohibited in public places there. The result is empty spaces where previously posters and billboards were as well as scaffoldings for neon signs that are no longer in use.
The artistic project for Schuurman’s stay in Brazil’s business and financial center was to photograph what is no longer visible. In addition to conventional photos, she took pictures
of the urban landscape with a Polaroid SX 70 camera using expired film, since even then it was no longer in production. The astonishing result of these instant photographs was color streaks in yellow, green, blue, brown, and orange. The artist recognized the disappearance of the subjects that she sought to photograph as a symbolic equivalent of what was no longer there.
In recent years the artist has continued to work with instant cameras after developing her own complex process of using bleach to create negatives out of Polaroid photos. The result of this process is photographs with a very unique appearance: bleached colors, black areas, and an almost soft, velvety surface. At first glance these pictures look like yellowed photos from the 1970s or even drawings.
The series Alptraum from 2018 features photographs of various glaciers in the Alps. Due to global warming, they have already receded significantly, and for many years efforts have
been made to protect them from the sunlight and thus from further melting with reflective foil.
In light of the original size of the glaciers, Schuurman’s photos show absurdly small lengths
of foil in the expansive mountain landscape. The particular aesthetic of the photos evokes the nostalgic image of a past mountain idyll, the exact opposite of which is the actual subject of the photos: the destruction of nature by man-made global warming and the exploitation of nature for ski tourism.
Elke Giffeler
Translation Anthony DePasquale